Gern unterschätzt und dabei doch so wahnsinnig wichtig: die Konzeptionsphase in Umsetzungsprojekten. Denn wenn das Ergebnis langfristig wertvoll für NutzerInnen sein soll, ist es wichtig, bereits von vornherein den Fokus auf ihn oder sie zu legen - also nutzerzentriert zu arbeiten. Dazu zählt zunächst die umfangreiche Recherche von Daten und Fakten zu zukünftigen oder potenziellen NutzerInnen (Research). Denn nur wenn wir verstanden haben für welche Personen und Situationen wir gestalten, können wir sinnvolle Lösungsideen und Entwürfe entwickeln.
Bereits während der Recherche macht es Sinn erste Einfälle und Geistesblitze unbedingt zu Papier zu bringen. So können sie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Konzeptionsarbeit tatsächlich startet, den Weg von der Schublade auf den Schreibtisch, das Whiteboard oder die Konzeptionswand finden. Es geht übrigens nicht darum möglichst systematisch in dieser Phase vorzugehen, indem man sich dazu zwingt Tage oder Wochen mit Nutzungskontextanalysen und Interaktionsspezifikationen zu verbringen, nur um dann endlich zu der Phase zu gelangen, in der Ideen und Lösungsvorschläge angebracht werden dürfen. Vielmehr ist Folgendes die Botschaft: Kreative Momente passieren meist spontan, ungeplant, willkürlich, auch wenn wir sie durch entsprechende Methodik wie z.B. Ideation-Elemente des Design Thinking gezielt hervorrufen können. Wichtig ist nur, dass wir diese festhalten.
Bitte nicht falsch verstehen - es ist gut, einen groben methodischen Rahmen zu haben, der Orientierung bietet. Jedoch eine Abfolge abzuarbeiten, die schematisch zwingend festlegt, wie man für die Entwicklung von Lösungsideen vorzugehen hat, macht nur wenig Sinn. Am Ende des Tages sind wir doch alle nur Menschen, die Raum für Ideen, spontane Iterationen und gezieltes Hinterfragen benötigen.
Besonders in der Lehre des Design Thinking wird in Phasen gearbeitet (wenn auch iterativ) und oft davon abgeraten die erstbesten Ideen weiter zu verfolgen, sie vielmehr zu verwerfen („Kill your Darling“). Aus der Sicht des Usability-Brille sind genau diese ersten Ideen jedoch häufig sehr gut. Warum? Sie sind intuitiv, entsprechen dem mentalen Modell der- oder desjenigen, der oder die sich auch mit den NutzerInnen beschäftigt hat. Zudem werden erste und offensichtliche Schwächen des Ist-Zustands konzentriert auf den Punkt gebracht. ABER das muss nicht bedeuten, dass sie auch wirklich die besten Lösungen darstellen, denn oft wurde ein wichtiger Aspekt auch noch nicht ausreichend zu Ende gedacht oder übersehen. Und damit hat der Kill-your-Darling-Ansatz aus dem Design Thinking dann eben doch wieder seine Berechtigung.
Und was hat das nun eigentlich mit der Kritzelei zu tun? Der Einsatz von Sketches und Wireframes bietet sich in jeder Projektphase an, um genau diese spontanen Ideen, Iterationen und Gedankenspiele festhalten und mit anderen teilen zu können. Etwas „Greifbares“ lässt sich viel besser mit Feedback versehen als reine Vorstellungen, die bei unterschiedlichen Beteiligten oft sehr weit voneinander abweichen können. Kritzelei erfordert wenig Zeit, keine speziellen Künsterskills und nur wenig Ressourcen. Sie sind risikoarm und können auch mal schnell wieder im Papierkorb landen, ohne dass dem Budget weh tut - maximal demjenigen, der seine eigene Idee am besten fand. Doch wie unterscheidet man die beiden?

Sketch: Ein Sketch, manchmal auch Scribble genannt, ist nichts anderes als eine Skizze oder ein Entwurf für die ersten spontanen Einfälle, auch wenn noch gar keine empirischen Daten vorliegen. Er eignet sich super, um die eigenen Gedanken und Logik den KollegInnen oder auch KundInnen vorzustellen, ohne in wildes Händefuchteln und komplizierte Erklärungen abzuschweifen à la „Und dann müsste man da irgendwie auf die nächste Seite abspringen können…“.
Zudem bringt es den Zeichner dazu sich mit dem Prozess oder dem System aktiv auseinanderzusetzen und Gegebenheiten zu reflektieren. Das Werkzeug der Wahl kann dabei sehr spärlich ausfallen. Es braucht nicht mehr als ein Stück Papier und eben einen Stift. Bestenfalls ist das Papier unbedruckt - Linien können zwar beim Zeichnen helfen, aber wir haben ja nicht den Anspruch Bauzeichner oder Künstler zu sein und sollten uns nicht durch solche unbewussten Grenzen leiten lassen. Es macht bei Sketching übrigens Sinn möglichst analog zu bleiben, da schon der Start des Programms eine Verzögerung darstellen kann und der Gedanke ist dann manchmal genauso schnell wieder weg, wie er kam.
Wichtig ist aber vor allem Eines: Die Zeichnung und die Logik dahinter müssen verständlich sein - völlig egal, wie sie aussehen. Nur so kann basierend darauf kommuniziert werden. Und ein kleiner auflockernder Schmunzler über die eigenen Zeichenkünste kann manchmal sehr wohltuend sein.
Wireframes: Ein Wireframe ist die etwas technischere und ausgefeiltere Version des Sketch und kann bereits etwas mehr Sorgfalt aufweisen. Werden Wireframes in Vielzahl genutzt, um einen Prozess oder Vorgang zu beschreiben, spricht man erweiternd von einem Wireflow. Mithilfe von Papierprototypen oder ersten digitalen Klickdummys können erste Nutzertests durchgeführt werden. Auch wenn noch kein finaler Text, sondern auch noch Platzhalter für Content enthalten sein können, ist es sinnvoll bereits mit Icons oder Labels zu arbeiten, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob diese verständlich sind und dem mentalen Modell der NutzerInnen entsprechen. Tools wie Balsamiq, Marvel, aber auch Miro oder Figma bieten sich je nach Skill-Level und Detailliertheitsgrad wunderbar hierfür an.
Na, juckt es dir nun in den Fingern? Dann einfach mal loszeichnen und Ideen sammeln.